22.2.2017
AK-Studie zeichnet düsteres Bild der Arbeitswelt beim Umgang mit Kranken.
Die AK Wien hat in Zusammenarbeit mit den anderen
Länderkammern und Fachgewerkschaften eine Online-Befragung zum Umgang der
ArbeitgeberInnen mit kranken ArbeitnehmerInnen und zum Verhalten im
Krankenstand selbst durchgeführt. Die Umfrage und die Erfahrungen aus der
Rechtsberatung (seit Jänner 2012 musste die AK Wien nur wegen Problemen rund um
den Krankenstand in 444 Fällen vor Gericht ziehen) vermitteln ein Besorgnis
erregendes Bild: Der Druck auf die ArbeitnehmerInnen steigt stetig. Häufig
kommt es zu aufgedrängten einvernehmlichen Lösungen, Kündigungen und sogar zu
Entlassungen im Zusammenhang mit dem Krankenstand. Vielfach werden schlichtweg
Entgeltansprüche vorenthalten.
AK Präsident Rudi Kaske fordert von den
Unternehmen mehr Respekt vor den Leistungen der ArbeitnehmerInnen und wirksame
Maßnahmen „zum Schutz kranker ArbeitnehmerInnen vor der unternehmerischen
Willkür. Wenn etwa neun von zehn schon einmal krank zur Arbeit gegangen sind,
weil sie ihre Kollegen nicht im Stich lassen wollen oder Angst um den Job haben
ist das alarmierend. Kranke Menschen müssen sich auskurieren. Sie noch unter
Druck zu setzen ist wirklich letztklassig.“
Die wichtigsten Ergebnisse:
- Neun von zehn Personen sind schon einmal krank in die
Arbeit gegangen: Die wichtigsten Gründe dafür sind vor allem: KollegInnen
werden nicht in Stich gelassen, wichtige Terminarbeit soll nicht liegenbleiben
und Angst um den Job.
-
Fast jeder zehnte Befragte wurde zumindest einmal im
Zusammenhang mit Krankenstand bereits zu einer einvernehmlichen Lösung oder
Selbstkündigung gedrängt: 57 Prozent haben das Unternehmen unmittelbar
verlassen, von den restlichen 43 Prozent hat rund die Hälfte das Unternehmen
später verlassen.
-
Immerhin elf Prozent der Befragten wurden bereits einmal
im Krankenstand gekündigt oder entlassen.
-
Fünf Prozent der Befragten gaben an, schon einmal Probleme
mit der Bezahlung ihrer Ansprüche während des Krankenstandes gehabt zu haben:
Rund die Hälfte davon gab an, dass das Entgelt zu niedrig bemessen wurde, rund
30 Prozent wurde das gesamte Entgelt überhaupt vorenthalten.
-
Viele - und das deckt sich auch mit den Erfahrungen aus
der Beratungspraxis – können schlichtweg nicht überprüfen, ob ihre Ansprüche
korrekt abgerechnet wurden.
Forderung
Die AK fordert insbesondere:
- Bei einer einvernehmlichen Lösung muss der Betriebsrat verpflichtend beigezogen werden und eine Woche Zeit haben, um die Sach- und Rechtslage mit dem Arbeitnehmer oder der Arbeitnehmerin zu beraten. In Betrieben ohne Betriebsrat soll der Arbeitnehmer bzw die Arbeitnehmerin die Möglichkeit haben binnen längstens einer Woche von der einvernehmlichen Lösung zurückzutreten.
- Wirksame Maßnahmen gegen die Überwälzung des Lohnfortzahlungsrisikos auf die ArbeitnehmerInnen und die BeitragszahlerInnen. Die Entgeltfortzahlung soll auch bei einvernehmlicher Auflösung so lange gewährt werden, wie es gesetzlich vorgeschrieben ist, also bis zum Ende des Krankenstandes.
- Ausbau der öffentlichen Kontrolle der korrekten Entlohnung (verstärkte Kontrolle korrekter Arbeitszeitaufzeichnung durch die Arbeitsinspektorate, verstärkte Kontrolle des Anspruchslohns durch die Gebietskrankenkassen, ausreichende personelle und sachliche Ausstattung der Kontrollbehörden); Stärkung der Kontrollbefugnisse der Betriebsräte hinsichtlich der Entlohnung und sonstiger Arbeitsbedingungen – auch in Bezug auf im Betrieb beschäftigte Leiharbeitskräfte; wirksame Sanktionssysteme.
Die Online-Umfrage wurde im Zeitraum vom 3.6 bis 20.6.2013
durchgeführt. Zentrale Fragestellungen betrafen einerseits den Umgang der
ArbeitgeberInnen mit kranken ArbeitnehmerInnen, Kontaktierung im Krankenstand,
aufgedrängten bzw durchgeführten Auflösungen von Dienstverhältnissen und
vorenthaltenen Ansprüchen im Krankenstand, andererseits das Verhalten der
ArbeitnehmerInnen im Krankheitsfalle, die Reaktionen auf dienstgeberseitige
Interventionen und Fragen ob und wo sie Rat und Hilfe in Anspruch genommen
haben. Rund 5.500 Personen aus ganz Österreich nahmen an der Befragung teil und
vermittelten so ein umfassendes Bild der Sachlage.
Das sagen die Betroffenen:
- „Ich war einen Tag krank und ich wurde gezwungen, den Tag
als Urlaub zu nehmen…“
-
„Zwei Wochen Urlaub genommen statt Krankenstand nach einer
Operation….“
-
„Ich war immer wieder krank im Büro, wurde immer wieder im
Urlaub und im Krankenstand angerufen, weil ich jahrelang keine Vertretung
hatte. Dann wurde ich wirklich sehr krank und nichts ging mehr ……..da hat mich
meine damalige „nette“ Chefin hängenlassen. Im Nachhinein kann ich glücklich sein,
dass alles so gekommen ist, weil ich jetzt superglücklich bin in meiner neuen
Firma, weil mein Chef ein ganz toller Mensch ist!“
-
„Habe mir eine schwere Beinverletzung zugezogen, wurde zwei
Mal operiert und war dadurch sehr lange im Krankenstand und wurde nach 16
Jahren Betriebszugehörigkeit gekündigt. Mit 53 nicht mehr so einfach.“
-
„Ich wurde nach meiner Operation (Krebs an der Gebärmutter)
gekündigt, weil mein Chef „so ein Gefühl“ hatte, dass ich ja wieder krank
werden könnte…und das, obwohl ich im Krankenstand mit starken Schmerzen im Büro
war, damit nichts liegen bleibt…“
-
„Ich wurde am Tag der Krankmeldung, auf dem Weg zum Arzt vom
Arbeitgeber bei der Gebietskrankenkasse
abgemeldet…“
-
„Bei uns im Vertrieb war ein Krankenstand absolut
unerwünscht. Keine Chance. Die Mitarbeiter gehen komplett krank hin, sodass wir
dann alle angesteckt wurden….ich habe es mir mal erlaubt mit Fieber zu Hause zu
bleiben….und was macht der Chef? Er bombardiert mich mit Anrufen und Sms: ich
soll im Krankenstand ins Büro kommen. Höflich aber bestimmt sagte ich nein.
Ergo die Quittung: bin mit 19.6. arbeitslos gemeldet…“
-
„Unsere Firma hat zu wenig Personal. Denn ca 50 Prozent der
Krankenstände müssen durch Überstunden wettgemacht werden. Ergebnis: bis zu
vier Mal im Monat 24 Stunden durchhackeln.“