Balkon einer Grazerin war plötzlich eine Baustelle
Ohne Vorwarnung wurde im Innenhof ein Baugerüst an einem mehrstöckigen Wohnhaus in Graz angebracht. Eine Mieterin kann ihren Balkon nicht mehr nutzen.
Der Konflikt um überhöhte Kaufpreise nahm seinen Ausgang im Messequartier Graz. Im Schnitt verlangte die gemeinnützige Wohnungsgesellschaft ENW von Mietkäuferinnen und -käufern um 50.000 Euro mehr als ursprünglich vereinbart. Als die Wohnungen vor zehn Jahren bezogen wurden, war die Kaufpreisbildung – durch den Mietvertrag, Begleitinformationen über Website, Vorgespräche, handschriftliche Beilagen und Prospekte – nach dem "Steirischen Modell" dargestellt worden. Das heißt, dass Käuferinnen und Käufer die noch offenen Darlehen und die Landesförderung, Nebenkosten sowie eine Barzahlung in Höhe von zwei Prozent der Herstellungskosten als zusätzlichen Kaufpreis übernehmen. Die Arbeiterkammer Steiermark ging stets davon aus, dass dies eine vertragliche Vereinbarung ist, die eingehalten werden muss. Die ENW argumentierte hingegen, dass nach einer Novelle zum Wohnungsgemeinnützigkeitsgesetz im Jahr 2016 der Buchwert als Mindestkaufpreis nicht unterschritten werden darf. Daher komme es zu einem höheren Kaufpreis als ursprünglich genannt. Die Gerichte gaben den mit Rechtsschutzdeckung der AK Steiermark prozessierenden Mietkäuferinnen und -käufern recht. Diese Urteile wurden auch vom Obersten Gerichtshof bestätigt. Das hat weitreichende Folgen: So sind allein im Messequartier bis zu 200 Mietkaufwohnungen betroffen, dazu kommen viele weitere ENW-Wohnungen in anderen steirischen Gemeinden. Im Laufe der Jahre werden einige Millionen Euro zusammenkommen, um die AK-Mitglieder die Wohnungen nun günstiger erhalten.
Karl Raith, Leiter der AK-Abteilung Wohnen, hat indes auch Lob für die ENW-Gruppe parat: "Nach den zwei Urteilen zahlt die ENW von sich aus laufend Kaufpreisdifferenzen zurück, auch bei bereits erfolgten Kaufvertragsabschlüssen." Wer glaubt, von überhöhten Kaufpreisen betroffen zu sein, kann sich jederzeit an die AK wenden. Die ENW ist freilich nicht die einzige gemeinnützige Bauvereinigung, die überhöhte, vom "Steirischen Modell" abweichende Preise verlangt. Konkret handelt es sich um die ÖWG und die GGW. Anders als die ENW haben diese Bauträger zwar schriftliche Hinweise auf das "Steirische Modell" vermieden. Doch laut Berichten von Betroffenen wurde ihnen der Kaufpreis rund um den Bezug der Wohnung als auf dem "Steirischen Modell" basierend beschrieben, etwa bei Infoveranstaltungen und Einzelgesprächen. ÖWG und GGW wurden von der AK kontaktiert und ersucht, die Wohnungen nach dem "Steirischen Modell" zum Kauf anzubieten. "Die ÖWG hat bereits abgelehnt", sagt Raith. "Daher fordern wir von dieser gemeinnützigen Bauvereinigung das 'Steirische Modell' gerichtlich ein." Erste Klagen sind bereits anhängig.
Das "Steirische Modell" gab es ab Mitte der 2000er Jahre, es fußte auf einer Vereinbarung zwischen gemeinnützigen Bauvereinigungen und dem Land Steiermark. Das Land hatte sich daher aufseiten der Mietkäuferinnen und -käufer den Gerichtsverfahren angeschlossen. Die AK Steiermark hofft, dass dies auch bei den weiteren Verfahren gegen andere gemeinnützige Bauvereinigungen der Fall sein wird.
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