Vorsicht bei "Blistergebühr"
Im Frühjahr erhielten Bewohner:innen eines steirischen Pflegeheimes vom Betreiber ein Schreiben, das Zusatzkosten ankündigte – die Aufregung war groß.
Die Expertinnen und Experten der AK-Abteilung Gesundheit, Pflege und Betreuung verzeichnen gehäuft sehr nachteilige, um nicht zu sagen rechtswidrige, Vertragsbestandteile in Heimverträgen, so Pflegerechtsexpertin Christina Poppe-Nestler.
Das verpflichtende Vorschreiben einer zusätzlichen Haftpflichtversicherung für Bewohnerinnen und Bewohner ist jedenfalls abzulehnen. Grundsätzlich ist es gesetzlich vorgesehen, dass der Heimträger eine Gruppen-Haftpflichtversicherung für alle Bewohnerinnen und Bewohner abschließt und auch unter gewissen Umständen für Schäden am Eigentum dieser ersatzpflichtig ist. Diese Haftpflichtversicherung ist in den Pflegeheimtarifen des Landes bereits eingepreist und würde somit doppelt verrechnet.
In letzter Zeit häufen sich Beschwerden über Träger von Pflegeheimen, die sich von den Angehörigen zusätzlich zum abzuschließenden Pflegeheimvertrag auch Bürgschafts- und/ oder Abtretungsvereinbarungen unterschreiben lassen wollen. Sehr oft dauert das behördliche Verfahren zur Restkostenübernahme sehr lange und in der Zwischenzeit werden die Pflegeheiminteressenten bzw. deren Angehörige mit Zusätzen zum Heimvertrag konfrontiert, wonach Bürgschaften und/oder Abtretungsvereinbarungen, oft auch "blanko", das heißt ohne thematische Einschränkung, unterschrieben werden sollen. Erfolgt dies nicht, droht eine Absage des Heimplatzes. Somit sind die zu Pflegenden bzw. deren Angehörige sehr unter Druck. "Wir raten diesbezüglich dringend, diese Vereinbarungen nicht zu unterschreiben, zumal die Restkosten in aller Regel vom Sozialhilfeträger übernommen werden – nur eben verzögert", sagt Poppe-Nestler: "Diese Vorgehensweise der Pflegeheimbetreiber entbehrt jeglicher Grundlage und ist unseriös." Überdies könnte sich so eine Zusatzvereinbarung auch negativ auf die Entscheidung des Sozialhilfeträgers auswirken, sodass dieser möglicherweise keine Deckung für die Pflegeheimkosten übernimmt.
Auch sind Anfragen zum Thema Reservierungskosten für ein Pflegeheim häufiger geworden. Künftige Bewohnerinnen und Bewohner sollen allein für die Aufnahme in einem Pflegeheim "Reservierungskosten" zahlen, dies in Höhe von mehreren Hundert Euro bis zu in einem Fall sogar mehr als 1.300 Euro. Die Zahlung dient allein dazu, den Platz im Pflegeheim zu garantieren. Die Betroffenen befinden sich oftmals in einer Drucksituation. Die Angst vor negativen Konsequenzen bzw. vor einem Verlust des in Aussicht gestellten oder bereits bezogenen Heimplatzes ist groß und daher bezahlen die Betroffenen oftmals den geforderten Betrag. „Unserer Rechtsansicht nach handelt es sich bei Reservierungskosten bei Aufnahme in einem Pflegeheim um eine unzulässige Zahlung, wenn dem keine gleichwertige Gegenleistung des Heimträgers gegenübersteht“, so die Pflegerechtsexpertin. Dass solche Vereinbarungen nicht verbindlich sein sollen, ist gesetzlich geregelt. Poppe-Nestler: "Zahlungen für Heimplätze sind nach unserer Ansicht verboten." Ist im Heimvertrag eine solche Zahlung vorgesehen bzw. werden diese Kosten schlicht – ohne vertragliche Grundlage – verrechnet, kann der zu Unrecht bezahlte Betrag zurückverlangt werden. Ein Anspruch auf Zahlung solcher Gelder ist nicht durchsetzbar.
Diese Zusatzkosten werden zumeist zu Unrecht in Rechnung gestellt, da das sogenannte "Blistern", also das Dispensieren der verschriebenen Medikamente, eine typische Leistung des Pflegeheimes ist und mit den Heimkosten abgedeckt wird. Wenn nun das "Blistern" an Apotheken ausgelagert wird und die so entstandenen Kosten an die Bewohnerinnen und Bewohner abgewälzt werden, ist dies unzulässig. Ähnlich verhält es sich bei der zusätzlichen Verrechnung bei der Wäscheversorgung. Diese Leistungen sind klar im verbindlichen Regelungswerk für Pflegeheime definiert. Am Beispiel der Wäsche kann man davon ausgehen, dass die Wäscheversorgung mit normaler Freizeitkleidung ohne Zusatzkosten erledigt werden muss, darüber hinausgehende Leistungen wie die chemische Reinigung von Kleidung, ist natürlich kostenpflichtig. Was die Versorgung mit Hygieneartikeln angeht, so ist diese nur in sehr eingeschränkten Fällen von den Leistungen im Pflegeheim umfasst. Ansonsten sind sie grundsätzlich selbst zu organisieren und zu bezahlen. Nicht zulässig ist, wenn das Pflegeheim die Beschaffung der Hygieneartikel übernimmt und mit einer Pauschale abrechnet. Es darf nur das verrechnet werden, was tatsächlich gebraucht bzw. konsumiert wurde. Leider sehen die AK-Fachleute häufig "Hygienepauschalen" als Zusatzposten auf den monatlichen Abrechnungen.
Seit 1. April 2024 können bis zu 8,80 Euro pro Tag für das Einzelzimmer in Rechnung gestellt werden. Eine rückwirkende Verrechnung mit dem Pflegeheimbewohner ab 1. Jänner 2024 ist laut Auskunft des Landes jedoch nur aufgrund einer ausdrücklichen vertraglichen Vereinbarung möglich. Für Personen, welche höchstens eine Mindestpension beziehen, beträgt dieser Betrag 5,50 Euro. Was auch noch wissenswert ist: für Bewohnerinnen und Bewohner ohne Pensionsbezug darf gar kein Einzelzimmerzuschlag verrechnet werden, wenn ein Einzelzimmer aufgrund eines begründeten Bedarfes zur Verfügung zu stellen ist. Häufig wird der Einzelzimmerzuschlag auch für sogenannte "Schmetterlingszimmer" verrechnet. Ein Schmetterlingszimmer ist ein eigenes Zimmer, bei dem man sich aber ein gemeinsames Bad mit dem Nebenzimmer teilt. Hier ist es nicht zulässig, den Einzelzimmerzuschlag zu verrechnen. Insbesondere aufgrund der Erhöhung beim Einzelzimmerzuschlag muss man leider sagen, dass nun Heimbewohnerinnen und Heimbewohner kaum noch etwas vom Taschengeld übrig bleibt. Deswegen muss häufig an anderen wichtigen Dingen wie Physiotherapie, Fußpflege, dem Kauf neuer Kleidung oder auch bei kleinen Ausgaben des täglichen Lebens eisern gespart werden und/oder die Familie der Betroffenen muss einspringen.
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