Pflege: AK prüft 24-Stunden-Verträge
Den Wildwuchs bei der 24-Stunden-Betreuung zeigt ein aktueller Fall: Weil die Agentur den Betreuer von der Sozialversicherung abgemeldet hatte, war auch die staatliche Förderung weg.
Das zweite Erwachsenenschutzgesetz erhält die Selbstständigkeit jeder Person solange wie möglich aufrecht. Sie soll in ihren Angelegenheiten unterstützt und nicht über sie hinweg entschieden werden. In vier Säulen mit unterschiedlich weitgehenden Rechten wird für jede Situation die bestmögliche Lösung gefunden. Alle Vertretungsformen müssen in ein zentrales Vertretungsverzeichnis eingetragen werden und sind zeitlich befristet. So kann immer wieder überprüft werden, ob eine Vertretung noch notwendig ist. Auch wird die Handlungsfähigkeit nicht mehr pauschal eingeschränkt, sondern Betroffene können - wenn sie noch entscheidungsfähig sind - im Einzelfall trotz Stellvertretung weiter gültig für sich selbst handeln. Eine gesetzlich verankerte Willenserforschungspflicht soll sicherstellen, dass die Wünsche und Äußerungen der Personen berücksichtigt werden.
Das Gericht soll bei den ersten drei Säulen der Vertretung nur mehr dort und in jenem Umfang eingebunden werden, wo besonders sensible Entscheidungen zu treffen sind. Dazu zählen zum Beispiel die dauerhafte Veränderung vom Wohnort, Uneinigkeiten zwischen Betroffenem und Erwachsenenvertreterin bzw. Erwachsenenvertreter, bei medizinischen Behandlungen oder die außerordentliche Vermögensverwaltung.
Hinweis
Eine Krankheitsdiagnose beeinträchtigt nicht zwingend die Entscheidungsfähigkeit. Anders als bisher wird die Einschränkung zur Besorgung eigener Angelegenheiten nicht mehr nach medizinischen Kriterien gemessen, sondern im Wege eines "Clearings" durch den Erwachsenenschutzverein erhoben (so genanntes psychosoziales Modell). Dies soll einen umfassenderen Blick auf die individuellen Lebensumstände ermöglichen.Die Veränderung im System soll auch durch moderne Begriffe stattfinden: Die Sachwalterin bzw. der Sachwalter wird zur Erwachsenenvertreterin bzw. zum Erwachsenenvertreter. Der Begriff "behinderte Person" wird aufgegeben. Die "geistige Behinderung" wird als eine einer psychischen Krankheit vergleichbare Beeinträchtigung der Entscheidungsfähigkeit einer Person umschrieben.
Die Vorsorgevollmacht soll aus dem derzeitigen Recht übernommen werden, da sie sich bewährt hat. Der Wirkungsbereich der/des Bevollmächtigten wird gesetzlich nicht beschränkt; Voraussetzung der Wirksamkeit einer solchen Vollmacht ist ein so genannte "Vorsorgefall", also eine nicht mehr entscheidungsfähige Vollmachtgeberin bzw. ein nicht mehr entscheidungsfähiger Vollmachtgeber, die/der im Österreichischen Zentralen Vertretungsregister (ÖZVV) eingetragen ist.
Die gerichtliche Kontrolle ist hier auf die Genehmigung von Entscheidungen bei medizinischen Behandlungen (wenn es eine offensichtliche Meinungsverschiedenheit der Parteien gibt) und bei einer dauerhaften Änderung vom Wohnort ins Ausland beschränkt. Die Vorsorgevollmacht gilt unbefristet.
Neu eingeführt wird die gewählte Erwachsenenvertretung: Damit soll eine Lücke im aktuellen System geschlossen werden. Im Gegensatz zur Vorsorgevollmacht kann eine Person auch dann eine gewählte Erwachsenenvertreterin oder einen gewählten Erwachsenenvertreter bestimmen, wenn sie nicht mehr voll handlungsfähig ist. Voraussetzung ist aber, dass sie die Tragweite einer Bevollmächtigung zumindest in Grundzügen verstehen und sich entsprechend verhalten kann. Auch diese Vertretungsbefugnis setzt die Eintragung in das ÖZVV voraus und unterliegt der gerichtlichen Kontrolle. Da sie auf der – wenn auch schon etwas eingeschränkten – persönlichen Willensbildung des Vertretenen beruht, gilt auch sie unbefristet.
Unter einer gesetzlichen Erwachsenenvertretung versteht die Reform die bisherige Vertretungsbefugnis nächster Angehöriger. Diese Befugnis soll jedoch nicht wie bisher unmittelbar kraft Gesetzes eintreten, sondern nur dann bestehen, wenn sie im ÖZVV eingetragen wird. Die gesetzliche Erwachsenenvertretung verschafft Angehörigen weitergehende Befugnisse als bisher, unterliegt dafür aber – anders als nach geltendem Recht – auch einer gerichtlichen Kontrolle. Sie muss spätestens nach drei Jahren erneuert werden.
Die gerichtliche Erwachsenenvertretung soll die bisherige Sachwalterschaft ersetzen. Die Befugnisse sollen aber deutlicher als nach geltendem Recht auf bestimmte Vertretungshandlungen beschränkt sein. Eine gerichtliche Erwachsenenvertretung für alle Angelegenheiten ist nicht mehr vorgesehen. Die Wirkungsdauer einer solchen Vertretung endet mit Erledigung der Aufgabe bzw. spätestens drei Jahre nach Bestellung. Die gerichtliche Bestellung eines Erwachsenenvertreters/einer Erwachsenenvertreterin soll so wie nach bisherigem Recht nur das letzte Mittel sein, die Alternativen dazu werden daher weiter ausgebaut.
Keine dieser Vertretungsarten soll zu einem automatischen Verlust der Handlungsfähigkeit der vertretenen Person führen. Soweit dadurch eine ernstliche und erhebliche Gefahr für die betroffene Person abgewendet werden kann, soll das Gericht jedoch bei einer gerichtlichen Erwachsenenvertretung anordnen können, dass gewisse rechtsgeschäftlichen Handlungen der betroffenen Person eine Genehmigung des gerichtlichen Erwachsenenvertreters oder der gerichtlichen Erwachsenenvertreterin voraussetzen (Genehmigungsvorbehalt). Ansonsten kommt es bei volljährigen Personen ausschließlich darauf an, ob sie geschäftsfähig sind oder nicht.
Auch in diesen Bereichen soll die Autonomie der betroffenen volljährigen Menschen gestärkt werden:
Das Reformkonzept sieht einen weiteren Ausbau der durch die öffentliche Hand geförderten Erwachsenenschutzvereine (bisher "Sachwaltervereine") vor. Ihre Beratungsfunktionen werden ausgeweitet und sie können künftig auch einfache Vorsorgevollmachten errichten bzw. einen Erwachsenenvertreter oder eine Erwachsenenvertreterin gewählt werden. Die Vereine können auch die Registrierung einer gesetzlichen Erwachsenenvertretung vornehmen. Darüber hinaus wird das sogenannte "Clearing" durch den örtlich zuständigen Verein im gerichtlichen Verfahren zur Bestellung eines Erwachsenenvertreters oder einer Erwachsenenvertreterin verpflichtend. Das bedeutet, dass das Gericht den Verein beauftragen muss. Der sammelt dann Entscheidungsgrundlagen für das Gericht zur Frage, ob eine gerichtliche Erwachsenenvertretung notwendig ist oder nicht. Die guten Erfahrungen mit diesem seit 2006 bestehenden Angebot haben sich auch im Modellprojekt "Unterstützung zur Selbstbestimmung" bestätigt. Mit diesen und weiteren Maßnahmen werden die Erwachsenenschutzvereine zur Drehscheibe der Rechtsfürsorge ausgebaut.
Rechtsanwälte und Rechtsanwältinnen sowie Notare und Notarinnen können in Zukunft grundsätzlich nicht mehr als 15 Vertretungen übernehmen. Angehörige der genannten Rechtsberufe müssen künftig bis zu fünf gerichtliche Erwachsenenvertretungen übernehmen, aber nur noch, wenn rechtliche Angelegenheiten zu erledigen sind. Freiwillig können sie – ohne weitere Erfordernisse – maximal 15 übernehmen. Wer mehr als 15 Vertretungen übernehmen möchte, muss sich in die "Liste besonders qualifizierter Rechtsanwälte bzw. Notare" eintragen lassen. Diese Liste wird von den Berufskammern verwaltet und kontrolliert.
Nach neuem Recht soll auch die Sorge um die persönliche Lebenssituation der psychisch kranken oder vergleichbar beeinträchtigten Person nicht allein dem Träger der Sozial- oder Behindertenhilfe überantwortet werden. Der Erwachsenenvertreter oder die Erwachsenenvertreterin hat aber nicht die vollständige Betreuung einer von ihm vertretenen Person zu übernehmen. Wenn sie nicht ohnehin schon umfassend betreut ist, soll er sich aber um die erforderliche ärztliche und soziale Betreuung bemühen.
Neu geregelt werden die Voraussetzungen einer medizinischen Behandlung bei psychisch kranken oder vergleichbar beeinträchtigten Menschen. Soweit die Person entscheidungsfähig ist, kann sie nur selbst einwilligen. Bei nicht entscheidungsfähigen Personen ist in einem ersten Schritt ein so genannter Unterstützerkreis (Angehörige oder andere nahestehende Vertrauenspersonen) beizuziehen, um die Willensbildung zu ermöglichen. Damit ist gerade in diesem sensiblen Bereich sichergestellt, dass betroffene Personen so gut als möglich unterstützt werden sollen, selbst eine Behandlungsentscheidung zu treffen. Gelingt diese Willensbildung nicht, ist in einem zweiten Schritt die Behandlung – außer bei Gefahr im Verzug – nur mit Zustimmung ihres Vertreters oder ihrer Vertreterin zulässig. In jedem Fall muss aber auch die nicht entscheidungsfähige Person selbst vom behandelnden Arzt oder von der behandelnden Ärztin über die Behandlung informiert und um ihre Meinung gefragt werden. Bei Meinungsverschiedenheiten zwischen Patient/in und Vertreter/in muss das Gericht entscheiden.
Hinweis
Die verfahrensrechtlichen Regelungen für die Bestellung eines Sachwalters oder einer Sachwalterin werden übernommen und weiter ausgestaltet. Vor allem gilt das für das schon erwähnte Clearing, das künftig allgemein verpflichtend ist. Darüber hinaus sind künftig nahe Angehörige der vertretenen Person in das Bestellungsverfahren eingebunden.Broschüren
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