Raue Umgangsformen in Männerbranchen
Eine im Auftrag der AK Niederösterreich erstellte Studie über sexuelle und geschlechtsbezogene Belästigung in männlich dominierten Branchen zeigt, dass sich Belästigung häuft, wo das Betriebsklima generell negativer bewertet wird. Am stärksten betroffen sind Mitarbeiterinnen mit Kundenkontakt und solche, die in einem stark männlich dominierten Arbeitsumfeld beschäftigt sind. Zu wenige wehren sich.
Knapp die Hälfte hat Belästigung erlebt
Sexuelle und geschlechtsbezogene Belästigung gehören zum Alltag vieler Arbeitnehmer:innen, ganz besonders dort, wo wenige Frauen mit vielen Männern zusammenarbeiten. Immerhin nehmen auch Männer Belästigung zunehmend wahr. Betroffene zögern allerdings immer noch, offen über die Vorfälle zu sprechen.
Ob am Bau, in der Elektronikindustrie oder in der Metallwarenerzeugung: Wo deutlich mehr Männer arbeiten als Frauen, weht in der Kommunikation ein rauer Wind. Sexistische Bemerkungen, unangebrachtes Anstarren und unerwünschter Körperkontakt zählen immer noch zum Arbeitsalltag von Frauen in typisch männlichen Branchen, das ergab kürzlich eine Online-Befragung im Auftrag der Abteilung für Frauenpolitik in der Arbeiterkammer Niederösterreich. Schwerwiegende Fälle von sexueller Belästigung resultieren häufig aus einem Machtgefälle.
„Die Studie zeigt aber auch eine positive Tendenz, nämlich dass männliche Kollegen zunehmend ein Gespür dafür entwickeln, wenn es am Arbeitsplatz zu unangemessenem Verhalten kommt. Beileibe nicht jeder Mann findet einen frauenfeindlichen Witz lustig und die Frauen humorlos, die darüber nicht lachen können“, berichtet die steirische AK-Gleichstellungsreferentin Bernadette Pöcheim.
Von den mehr als 5.000 Befragten gaben 57 Prozent der Frauen an, mindestens eine Form sexueller Belästigung erlebt zu haben (auch als Beobachtende), bei den Männern war es knapp ein Drittel. Je männlicher geprägt das Arbeitsumfeld ist, desto mehr Frauen erleben Belästigung. Noch immer sind die Täter:innen überwiegend Männer und die Betroffenen mehrheitlich Frauen.
Spürbare Konsequenzen fehlen
Geschlechtsbezogene Belästigung am Arbeitsplatz, also Frauen nicht ausreden zu lassen, stereotype Arbeitszuweisung (Frauen selbstverständlich das Kaffeekochen zu übertragen) oder berufliche Kompetenzen aufgrund des Geschlechts anzuzweifeln, erleben 62 Prozent der befragten Frauen und rund ein Drittel der Männer – die Männer in der Beobachterrolle.
Wo es Betriebsrät:innen und andere Vertrauenspersonen gibt, kommt es nach den Ergebnissen dieser Studie seltener zu Belästigung; wo das Betriebsklima generell schlecht ist, häufen sie sich. Noch immer scheuen viele Opfer davor zurück, die Vorfälle zu melden. Knapp die Hälfte der Betroffenen spricht ausschließlich mit Kolleg:innen über das Erlebte; nur 26 Prozent wenden sich an Vorgesetzte. „Was eindeutig noch fehlt, sind spürbare Konsequenzen für die Täter. Nach wie vor verlassen mehr betroffene Frauen in Folge einer Belästigung ihren Arbeitsplatz als belästigende Männer. Hier braucht es ein klares Bekenntnis der Unternehmensführung zum Opferschutz“, betont Pöcheim.