AK-Präsident Josef Pesserl mit Bernadette Pöcheim (ganz links), Helga Ahrer, Eveline Köberl und Patricia Berger
AK-Präsident Josef Pesserl mit Bernadette Pöcheim (ganz links), Helga Ahrer, Eveline Köberl und Patricia Berger © Fürst, AK Stmk
4.4.2022

"Die Arbeit mit Maschinen ist mehr wert als die mit Menschen"

Bewertung von Arbeit, Teilzeitfalle, Altersarmut: Vier Frauen in leitenden Funktionen zeigen auf, wie Geschlechterungleichheiten auch heute noch das (Arbeits-)Leben von Frauen prägen. AK-Vizepräsidentin Patrica Berger, Frauenvorsitzende des ÖGB Steiermark Helga Ahrer, AK-Frauenvorsitzende Eveline Köberl sowie Bernadette Pöcheim, Leiterin der AK-Abteilung Frauen und Gleichberechtigung, liefern zudem Antworten, was sich endlich ändern muss.

Am 8. März fand der Weltfrauentag statt. Warum braucht es 2022 ­diesen Tag noch?

Berger: Weil die Schlechterstellung von Frauen auch im Jahr 2022 Realität ist. Seit über 40 Jahren gilt das Gleichbehandlungsgesetz, wonach Frauen aufgrund ihres Geschlechts nicht benachteiligt werden dürfen. Trotzdem leben und arbeiten steirische Frauen jedoch weit von diesem Ziel entfernt.

Wie zeigt sich diese Ungleichheit im Arbeitsleben?

Köberl: Ein wesentlicher Faktor ist, wie wir Arbeit bewerten. Immer noch werden gerade jene Berufe gering bezahlt, in denen überwiegend Frauen arbeiten. Die Betreuung von Maschinen ist uns mehr ­wert als jene von Menschen. Eine Pflegerin, die mehrmals täglich einen schweren Mann hebt, hat eine ähnlich körperlich anstrengende Arbeit wie Beschäftigte in der Schwerindustrie. Sie verdient aber deutlich weniger.

Welche Auswirkungen hatte die Corona-Krise auf die Gleichstellung?

Pöcheim: Die Hauptlast der Krise – im Privaten sowie durch systemerhaltende Berufe – trugen Frauen. Nach über zwei Jahren sind die Belastungsgrenzen vieler längst überschritten – sie verdienen endlich mehr als nur Anerkennung. Bei unseren Beratungen merken wir auch, dass viele Mütter aufgrund der unsicheren Lage eine längere Karenzmöglichkeit wählen oder mit weniger Stunden in den Job zurückkehren.

Die Teilzeitquote bei Müttern hat sich in den letzten zehn Jahren kaum verändert. Woran liegt das?

Ahrer: Fakt ist, dass die unbezahlte Care-Arbeit großteils noch immer Aufgabe der Frauen ist. Neben Kinderbetreuung, Haushalt und Pflege von Angehörigen bleibt vielen schlichtweg einfach nichts anderes übrig, als eine Teilzeitstelle anzunehmen. Zusätzlich ist das Kinderbetreuungs- und -bildungsangebot vielerorts noch unzureichend ausgebaut, was eine weitere Hürde darstellt.

Wie wirkt sich dies auf die Pension aus?

Köberl: Halber Lohn bedeutet auch halbe Pension. Frauen sind im Alter akut armutsgefährdet. Während die Median-Alterspension bei Männern rund 1.860 Euro beträgt, liegt jene bei Frauen lediglich bei 977 Euro. Es gibt zwar mittlerweile Möglichkeiten zur Verbesserung der Pension, wie Pensionssplitting oder freiwillige Höherversicherung, diese werden jedoch kaum in Anspruch genommen.

Wie lässt sich die Vereinbarkeit von Arbeit und Familie besser aufteilen?

Pöcheim: Elternkarenz und Teilzeit steht Müttern und Vätern offen, derzeit bleibt jedoch nur ein Prozent der Väter länger als sechs Monate daheim. Gemeinsam mit dem ÖGB sprechen wir uns für ein Familienarbeitszeitmodell aus, wonach beide Elternteile nach der Karenz 28 bis 32 Stunden arbei­ten und jeder Elternteil bis zum vierten Geburtstag des Kindes monatlich 250 Euro erhält.

Welche Probleme zeigen sich bei der Kinderbetreuung?

Berger: In nur 27 Prozent der stei­rischen Gemeinden ist eine Kinderbetreuungssituation gegeben, bei der beide Elternteile in Vollzeit arbeiten können. Vor allem in ländlichen Gemeinden schließen die Kindergärten häufig um 13 Uhr. Von einer flächendeckenden und leistbaren Kinderbetreuung sind wir noch weit entfernt. Es braucht einen Rechtsanspruch auf einen Kinderbetreuungsplatz. Um dies umzusetzen, ist es unumgänglich, die Gemeinden bei der Finanzierung zu unterstützen.

Welche Schritte sind notwendig, um mehr Gleichberechtigung in der Arbeitswelt zu schaffen?

Ahrer: Eine Reihe von Maßnah­men: bessere Bezahlung, Rechtsanspruch auf einen Kinderbetreuungsplatz ab dem ersten Lebensjahr, Arbeitszeitverkürzung, vollständige Lohntransparenz und mehr Frauen in Führungspositionen. Es braucht einen Wertewandel genauso wie Maßnahmen vonseiten der Politik  und der Unternehmen.

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