Vernissage und Auszeichnung
Fotografie-Jungtalente wurde bei der Vernissage in der AK geehrt. Alle Arbeiten sind noch bis Ende November in der AK-Ganggalerie zu sehen.
Eine Stunde lang ist es mucksmäuschenstill im Kammersaal. Gertraud Fletzberger spricht bewegt über ihre Vergangenheit. Aber es ist nicht irgendeine Vergangenheit, sondern ihre Kindheitserinnerungen an die nationalsozialistische Zeit in Österreich. Am Ende dürfen die Schülerinnen und Schüler Fragen an die 89-Jährige stellen.
Sie ist mit fünf Jahren dabei, als Hitler unter frenetischem Jubel und "Heil Hitler"-Rufen auf der Mariahilferstraße in Wien einfährt – ihre Familie wohnt dort im dritten Stock. Das ist auch ihre erste Erinnerung an Adolf Hitler. Sie ist das mittlere Kind von drei Geschwistern. Ihr älterer Bruder (10 Jahre alt) bringt Geschichten und Eindrücke über die Veränderungen aus der Schule mit heim. Ihre Mutter ist "arisch" und ihr Vater Jude. Er ernährt die Familie als Rechtsanwalt.
Bald wird die Verwandtschaft des Vaters von der Gestapo besucht. Die Tante wird gezwungen, innerhalb von 24 Stunden aus der Wohnung auszuziehen. Ihre eigene Familie entgeht nur knapp der Zwangsräumung, weil die Kinder mit Masern und hohem Fieber im Bett liegen. Sie müssen aber alles Bargeld, die Sparbücher und auch die verwahrten Klientengelder abgeben. Dann wird der Vater von der Liste der Rechtsanwälte gestrichen und verliert seine Arbeit. Als die Mutter als Schneiderin die Familie ernähren will, kann sie nicht, weil es verboten ist, mit einem Juden verheiratet zu sein. Die Familie muss aus Österreich weg, aber sie findet niemanden im Ausland, der sie aufnimmt. Schließlich können die Kinder über eine Organisation nach Schweden zu Pflegefamilien reisen. Niemand weiß, ob sich die Familie je wiedersieht.
Die Pflegefamilie von Gertraud Fletzberger ist sehr liebevoll, und innerhalb kürzester Zeit spricht sie schwedisch und ist integriert. In Österreich spitzt sich die Lage zu, und dem Vater gelingt es über Italien nach Frankreich in die freie Zone zu flüchten. Die Mutter darf noch reisen und will ihre Kinder besuchen. Sie kommt am Tag vorm Kriegsausbruch an und muss bleiben. Sie findet Arbeit als Schneiderin, und zuerst zieht ihr Sohn zu ihr in die Einzimmerwohnung, weil er in der Pflegefamilie nicht die höhere Schule besuchen kann. Später kommt auch Gertraud dazu, weil auch für sie die Lehre statt Schulbildung vorgesehen ist, was sie ablehnt.
Als 1942 die Nazitruppen in die freie Zone einmarschieren, flieht der Vater mit falschen Papieren und gibt sich als Franzose aus. Er muss in Zügen und Wartehäuschen schlafen, bis es ihn irgendwann in die Schweiz verschlägt. Von dort aus macht er sich im Mai 1945, als der Krieg vorbei ist, nach sechseinhalb Jahren auf, seine Familie in Schweden zu besuchen. Die Mutter hat es inzwischen zu einem eigenen Geschäft gebracht und lebt mit den Kindern ein beschauliches Leben. Da der Vater kein Schwedisch spricht, beschließt die Familie, wieder nach Österreich zurückzukehren. 1946 geht der Vater zurück und kann wieder als Rechtsanwalt arbeiten. Kaum jemand aus seiner Familie lebt noch, und auch er ist nicht wirklich willkommen. Trotz Hunger und Wiederaufbau ist er glücklich, wieder in Österreich zu sein. 1947 kommt der Rest der Familie nach Österreich.
Fletzberger sagt über antisemitische Strömungen in Österreich: "Nach dem Wort folgt die Tat. Das müssen wir verhindern." Sie sieht es als Pflicht eines jeden an, schon in Gesprächen einzugreifen.
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