Film: Ihr Recht bei Überstunden
Muss ich Überstunden machen - und wenn ja, wie viele? Was bekomme ich dafür bezahlt? Wann darf ich nein sagen zu Überstunden?
Die ÖVP, FPÖ und NEOS haben im Eilverfahren drastische Änderungen im Arbeitszeitrecht durch‘s Parlament gepeitscht, trotz massiver Proteste von AK und Gewerkschaften, Kirche und Zivilgesellschaft, ArbeitsmedizinerInnen und ÖkonomInnen. Ein paar heikle Punkte wurden in Reaktion auf unsere Kritik hin entschärft. Trotzdem kommen mit 1. September 2018 Verschlechterungen auf die Beschäftigten zu.
Erfahren Sie hier, was sich ändert – und was wir daran bedenklich finden.
Ab 1. September 2018 sind 20 Überstunden pro Woche erlaubt. Das heißt, Sie können 12 Stunden pro Tag und 60 Stunden pro Woche Arbeit angewiesen bekommen, und zwar auch sehr kurzfristig und viele Wochen hintereinander.
Was ist anders als bisher, was kritisieren wir?
Überstunden müssen nach wie vor angeordnet werden. Doch laut Gesetz sollen überlange Arbeitstage freiwillig sein: Die Beschäftigten dürfen Überstunden ablehnen, wenn diese über 10 Stunden pro Tag oder 50 Stunden pro Woche hinausgehen.
Außerdem ist im Gesetz eine Art „Kündigungs- und Diskriminierungsschutz“ vorgesehen: Wer die 11. und 12. Stunde ablehnt, soll deswegen keine Nachteile haben, etwa bei Lohnerhöhungen, Aufstiegschancen oder durch Versetzungen. Fliegt man wegen einem „Nein“ zu Überstunden raus, kann man die Kündigung innerhalb von zwei Wochen bei Gericht anfechten.
Auch wenn wir mit dem neuen Gesetz unzufrieden sind, konnten wir folgende Punkte reinreklamieren:
Der 12-Stunden-Tag bzw. die 60-Stunden-Woche könnten für Menschen mit All-in-Verträgen Folgendes bedeuten: Mehr Arbeiten fürs gleiche Geld. Denn: Bei einem All-In-Vertrag vereinbart man einen Pauschallohn, mit dem auch die Überstunden abgegolten werden – und die dürfen ja jetzt mehr sein als bisher. Solange die Entlohnung ausreichend ist, ist das möglicherweise völlig legal.
Man könnte aber auch argumentieren, die All-in-Vereinbarung ist unter anderen Voraussetzungen geschlossen worden und deckt die jetzt zusätzlich möglichen Zeiten nicht ab. Die AK wird das gerichtlich klären lassen, sobald entsprechende Streitfälle bei uns landen.
Wenn Sie bereits eine Gleitzeitregelung haben, egal ob im Einzelvertrag oder über eine Betriebsvereinbarung, ändert sich mit 1. September 2018 vorerst nichts. Es kann aber sein, dass nun Druck auf einzelne ArbeitnehmerInnen oder auf den Betriebsrat ausgeübt wird, um die Gleitzeit nach den neuen gesetzlichen Möglichkeiten zu gestalten – und die sehen vor, dass 12 Stunden Gleitzeit pro Tag möglich sind, und zwar ohne Überstundenzuschläge.
Wenn Sie beim Gleiten tatsächlich sehr selbstbestimmt sind und so lange Arbeitstage bei Ihrer konkreten Tätigkeit und Lebenssituation akzeptabel sind, kann die Öffnung dieses großen Spielraums auch aus Arbeitnehmersicht interessant sein.
Das klingt sicher für viele fein: Hin und wieder sehr lange arbeiten und dafür öfter ein verlängertes Wochenende genießen. Fraglich ist aber, wie das in der Praxis funktionieren soll:
Wenn Ihre Gleitzeit in Ihrem Arbeitsvertrag geregelt ist, ändert sich vorerst nichts. Sollten Sie oder Ihr Arbeitgeber Änderungen wünschen, müssen Sie das gemeinsam vereinbaren. Einzelverträge können nicht einseitig geändert werden.
Nein, an bestehenden Gleitzeitvereinbarungen in Kollektivverträgen und Betriebsvereinbarungen ändert sich nichts – auch wenn sie günstigere Bestimmungen als das Gesetz vorsehen.
Tipp für Betriebsräte
Ihr Arbeitgeber oder Ihre Arbeitgeberin will die bisherigen Arbeitszeitübereinkünfte in der Betriebsvereinbarung ändern? Kontaktieren Sie Ihre/n betreuende/n Gewerkschaftssekretär/in und informieren Sie sich, wie Sie im Betrieb vorgehen können. Für die Gewerkschaften ist es außerdem sehr wichtig, über die Vorgangsweisen in den Betrieben Bescheid zu wissen.
Beschäftigte können ab 1. September 2018 an vier Wochenenden oder Feiertagen pro Jahr zur Arbeit eingeteilt werden, wenn es vorübergehend besonders viel zu tun gibt. Dazu braucht es eine Betriebsvereinbarung. In Betrieben ohne Betriebsrat muss Wochenend- und Feiertagsarbeit bei Bedarf schriftlich mit den einzelnen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern vereinbart werden.
Schon jetzt arbeiten viele Menschen an Sonn- und Feiertagen. Bei ihnen gibt es gesetzliche oder kollektivvertragliche, sachlich begründete Ausnahmen von der Wochenend- und Feiertagsruhe. Der besondere Schutz der freien Tage wird nun auch ohne spezifische Begründung ausgehöhlt. Mit der vielbeschworenen „Freiwilligkeitsgarantie“ ist es aus, wenn man die fallweise Ausnahme von der Wochenend- und Feiertagsruhe im Arbeitsvertrag oder der Betriebsvereinbarung stehen hat. Nein sagen fällt mitunter schwer!
Im Gast-, Schank- und Beherbergungsgewerbe kann in allen Betrieben bei geteilten Diensten die tägliche Ruhezeit auf mindestens acht Stunden verkürzt werden. Voraussetzung ist ein geteilter Dienst.
Immerhin muss bei einer solchen Verkürzung der Ruhezeit in den nächsten vier Wochen eine Ruhezeit entsprechend verlängert werden. Da nach dem im Gastgewerbe anzuwendenden Kollektivvertrag die Ruhezeit mindestens 10 Stunden betragen muss, muss auf eine nur achtstündige Ruhezeit also eine 12-stündige kommen.
Bisher war das nur in Saisonbetrieben und bei Vollzeitbeschäftigten möglich. Die Idee dahinter: Wenn die tägliche Ruhezeit auf 8 Stunden gekürzt wird, entstehen Freizeitblöcke, die insbesondere am Ende der Saison konsumiert werden und so die Phase der Saisonarbeitslosigkeit verkürzen. Der Hintergrund: Die ArbeitnehmerInnen wohnen in diesen Fällen im oder sehr nahe dem Betrieb, sind oft fern von ihrem Heimatort und können damit in vielen Fällen mit der vom Kollektivvertrag garantierten geblockten Freizeitphase mehr anfangen als mit den regulären täglichen Ruhezeiten. Nun wird auf den ganzjährigen Tourismus ausgeweitet – ohne jeden kollektivvertraglichen Schutz durch entsprechende Diensteinteilung und ohne zwingende Unterbringung am Arbeitsort.
Der Tourismus klagt über Arbeitskräftemangel und will Personal bereits außerhalb der EU suchen. Die Arbeitsbedingungen für diese wichtige Branche müssen endlich verbessert werden, statt sie weiter in Grund und Boden zu fahren.
Beispiel:
Freizeit oder Familienleben gehen sich bei diesem Leben nicht aus!
Bisher waren nur leitende Angestellte vom Arbeitszeitgesetz und vom Arbeitsruhegesetz ausgenommen. Ab 1. September 2018 sind Beschäftigte mit „maßgeblicher selbstständiger Entscheidungsbefugnis“ ausgenommen, deren Arbeitszeit „nicht gemessen oder im Voraus festgelegt wird oder von hinsichtlich Lage und Dauer selbst festgelegt werden kann“. Sie finden das schwer verständlich? Wir auch! Das Gesetz ist leider so schwammig formuliert, dass erst die Gerichte darüber entscheiden müssen, für wen Zeitgrenzen, Wochenenden, Nachtruhe etc. gelten.
Abgesehen von leitenden Angestellten könnten Menschen von der Begrenzung der Arbeitszeit ausgenommen sein, die wegen ihrer guten Spezialkenntnisse selbstständig arbeiten. Nach dem Motto: „Teile dir deine Arbeit selbst ein, Hauptsache, du erledigst die aufgetragene große Arbeitsmenge zu unserer Zufriedenheit!“ Betreffen könnte das zum Beispiel JournalistInnen, WissenschaftlerInnen oder Beschäftigte in der Kreativbranche. Sie stehen künftig nicht nur ohne jeden arbeitszeitgesetzlichen Schutz da, sondern bekommen auch keine Überstundenzuschläge, außer der Kollektivvertrag sieht es explizit vor.
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