So idyllisch dieses Bild aus dem Kindergarten „Unsere kleine Welt“ Gniebing-Weißenbach ist – die Beschäftigten in den Kinderbetreuungseinrichtungen leiden unter den aktuellen Rahmenbedingungen.
So idyllisch dieses Bild aus dem Kindergarten „Unsere kleine Welt“ Gniebing-Weißenbach ist – die Beschäftigten in den Kinderbetreuungseinrichtungen leiden unter den aktuellen Rahmenbedingungen. © Fürst, AK Stmk
4.7.2022

Kinderbetreuung: Jetzt handeln!

Seit Jahren kämpfen die Beschäftigten in der Elementarpädagogik für bessere Arbeitsbedingungen. Durch die Corona-Pandemie hat sich die ohnehin angespannte Arbeitssituation für das Personal nun rasant weiter verschlechtert.
Österreich hinkt bei der Kinderbetreuung hinterher – sowohl in puncto Ausgaben als auch bei konkreten Zielen. Und das trifft nicht nur die Beschäftigten in den Einrichtungen, sondern auch die Eltern. Von 244 steirischen Gemeinden fallen nur 76 in die Kategorie 1A, die den Vereinbarkeitsindikator Beruf & Familie erfüllen. Das heißt, nur etwas mehr als ein Drittel bieten eine Kinderkrippe, Ganztageskindergarten, Nachmittagsbetreuung für Volksschulkinder sowie mindestens 45 Stunden wöchentliche Öffnungszeit, eine Öffnung an vier Tagen und eine Schließzeit von maximal fünf Wochen im Jahr.

Frauen in Teilzeit gedrängt

"Eine Vollzeit-Beschäftigung wird vor diesem Hintergrund vor allem vielen Müttern weiterhin verwehrt", sagt Bernadette Pöcheim, Leiterin des AK-Frauenreferats. Die Teilzeitquote von Frauen liegt bei 48 Prozent. Zwei Drittel von ihnen arbeiten unter 25 Stunden.

Pöcheim: "Teilzeitarbeit mag zwar in manchen Lebenslagen für Frauen die richtige Wahl sein. Doch diese Arbeitsform bringt auf Dauer keine eigenständige Absicherung." Die Kindererziehung wird nur zu einem geringen Teil für die Pension angerechnet, auch wenn in diesem Zeitraum keine Pensionsbeiträge bezahlt werden. Für jedes Kind werden maximal vier Jahre berücksichtigt und pro Jahr Kindererziehung gibt es 28 Euro als monatliche Pensionsleistung. Eine Frau, die also vier Jahre lang wegen der Kinder daheim bleibt, erhält dafür in der Pension monatlich 112 Euro. Weil aber Kinder nach vier Jahren nicht erwachsen sind und noch viel Zuwendung brauchen, wählen danach viele Frauen Teilzeitarbeit. Denn hier kommt wieder das nicht flächendeckende Kinderbetreuungsangebot ins Spiel. Das vielzitierte Schlagwort von der Vereinbarkeit zwischen Beruf und Familie bleibt eine hohle Phrase.

Altersarmut vorprogrammiert

Aber Teilzeitarbeit hat nicht nur massive Auswirkungen auf Karriere- und Berufschancen. Teilzeitarbeit bedeutet, dass nur geringe Beiträge auf das Pensionskonto wandern. "Wer monatlich 1.500 Euro verdient, bekommt nach 45 Jahren 1.200 Euro Pension. Bei einer Halbierung auf Teilzeit sind es nur 600 Euro", zeigt die Expertin drastisch die Folgen auf: "Besonders Frauen sind im Alter armutsgefährdet."

Zu viel unbezahlte Arbeit

"Dabei funktioniert unsere Gesellschaft nur, weil Frauen ständig unbezahlt zugreifen: bei der Hausarbeit, bei der Betreuung unserer Alten und beim Aufziehen der Kinder. 64 Prozent der gesamten Arbeitszeit von Frauen ist unbezahlt", stellt Pöcheim klar.

Betroffene am Wort

In den steirischen Einrichtungen zur Kinderbetreuung herrscht Mängelverwaltung. Darunter leidet das Personal, darunter leiden die Kinder und darunter leiden Mütter und Väter, die für ihre Berufstätigkeit auf ein funktionierendes System angewiesen sind.

Judith Kickmayer
Judith Kickmayer © privat, AK Stmk

Judith Kickmayer, Leiterin WIKI Kindergarten & Kinderkrippe Eggenberg: "Wir leisten seit Monaten gemeinsam hunderte Überstunden, da bei uns am Nachmittag eine Elementarpädagogin fehlt. Die Kinder haben nur am Vormittag einen geregelten Ablauf, weil nur das Vormittagsteam konstant ist. Die offene Stelle am Nachmittag wird fast täglich mit anderen Personen abgedeckt. Dadurch gelten immer andere Regeln und die Kinder loten ihre Grenzen aus. Da die ganze Arbeit für die gesamte Gruppe (Portfolio, Schulvorbereitung, Entwicklungsberichte- und Gespräche usw.) an einer Pädagogin hängenbleibt, ist nach dem Kinderdienst nur begrenzt Zeit übrig, die Vertretung, nebst der Weitergabe wichtiger Informationen, auf alle Regeln einzuschulen. Zudem lastet alles auf der Vormittagspädagogin, weil die Betreuerinnen nicht für diese Tätigkeiten zuständig sind und die Kolleginnen aus dem Haus, die einspringen, selbst eine Gruppe samt den dazugehörigen Arbeiten leiten. Wenn wir Glück haben, bekommen wir eine Vertretungskraft von der Zentrale geschickt, um keine weiteren Stunden aufzubauen, aber da es zu wenig Vertretungskräfte gibt, ist auch dies schwierig. Mein Wunsch wäre, endlich die Rahmenbedingungen anzupassen. Es braucht kleinere Gruppen, das Gehalt gehört angepasst, um KollegInnen (zurück) in die Praxis zu holen."

Christa Schrötter
Christa Schrötter © privat, AK Stmk
Christa Schrötter, Tagesmutter: "Es wird für uns Tagesmütter immer schwieriger, Kinder zu bekommen. Durch den Ausbau der Kinderbetreuung, der natürlich für die Eltern wichtig und gut ist, geben immer mehr Tagesmütter auf. Denn es geht hier vor allem ums Geld: Wir bekommen einen Stundenlohn von 3,31 Euro pro Kind pro Stunde. Ich weiß oft nicht, ob nächsten Monat die Kinder noch kommen. Die Gemeinden zahlen bei der Kinderkrippe oder dem -garten dazu, für eine Betreuung bei der Tagesmutter gibt es keinen Zuschuss. Dabei ist eine Betreuung bei uns Tagesmüttern viel familiärer und aufs Kind bezogen: Wir dürfen nur fünf Kinder gleichzeitig haben und können so leichter auf ihre Bedürfnisse eingehen. Aktuell ist natürlich auch die Teuerungswelle ein großes Thema: Ich betreue Kinder von ein bis 15 Jahren und bekomme pro Kind pro Tag durchschnittlich 5 Euro Aufwandsentschädigung, davon habe ich neben dem Mittagessen und gegebenenfalls der Nachmittagsjause auch fürs Trinken oder eine Nascherei zu sorgen. Ich wasche Handtücher, brauche Putzmittel usw. Momentan habe ich Mehrkosten von bis zu 50 Euro pro Woche, auf denen ich sitzen bleibe. Ich bin seit 25 Jahren Tagesmutter – noch. Viele meiner Kolleginnen haben bereits aufgehört und viele andere überlegen, ob sie nicht aufhören – die Umstände zwingen sie dazu."

Maria Hauer
Maria Hauer © Fürst, AK Stmk
Maria Hauer, Leiterin Kindergarten Unsere kleine Welt in Gniebing-Weißenbach: "Der Druck, dem unsere Kolleginnen und Kollegen ausgesetzt sind, ist schlimm: Viele kommen halbkrank zur Arbeit, weil ein Ausfall kaum zu kompensieren ist. Denn vom Personalpool und den Springerinnen und Springern, die man uns versprochen hat, damit Personalengpässe ausgeglichen werden, ist nichts zu sehen. Denkt irgendwer daran, dass das langfristig auf die Gesundheit geht?"


Sabine Ornigg, Leiterin Kindergarten Andersengasse in Graz: "Es darf sich niemand darüber wundern, dass es bei uns immer weniger Berufseinsteigerinnen und -einsteiger gibt, dass sogar immer mehr Junge rasch wieder aussteigen: Das hat etwas mit der mangelnden Wertschätzung, der geringen Akzeptanz unserer Arbeit zu tun – Kindergarten hört sich nach Tanten, Spiel und Singen an: Ich wünsche mir eine Image-Zurechtrückung durch die Politik!"

Alia Thier
Alia Thier © privat, AK Stmk
Michaela Eggenreich
Michaela Eggenreich © privat, AK Stmk
Alia Thier (oben) & Michaela Eggenreich, Kinderbetreuerinnen in der Kinderkrippe Flohhupferl: "Durch die vielen Vertretungen, häufigen Personalwechsel und fast nur mehr Teilzeitjobs ist das Personal am Limit. Ist man selbst im Krankenstand, hat man kaum Zeit, sich zu erholen, da man weiß, dass Kolleginnen einspringen müssen. Deswegen hat man ein schlechtes Gewissen und geht früher in die Arbeit – ein Teufelskreis. Es drohen Langzeitkrankenstände, die sich aber die meisten nicht leisten können, da sie ans Existenzminimum kommen: Eine Kinderbetreuerin mit 25 Wochenstunden verdient ein Bruttogehalt von 1.112,68 Euro und das obwohl sie eine ziemlich große Verantwortung trägt. Wie soll man mit diesem Gehalt selbstständig leben können, noch dazu, wenn die Inflationsrate zurzeit mehr als 8 Prozent beträgt? Dazu kommt, dass Jüngere kaum die Chance haben, einen 40-Stunden-Job zu bekommen. In den meisten Fällen sind Kinderbetreuerinnen weniger als 30 Wochenstunden angestellt.
So wie es im Moment läuft, können wir uns nicht vorstellen, diesen Beruf bis zur Pension auszuüben. Die Rahmenbedingungen, die Vertretungen und das Gehalt müssen angepasst werden, damit man wieder mit mehr Freude und weniger Sorgen in diesem Beruf arbeiten kann."


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