Kindergärtnerin
Das Personal in steirischen Kinderbetreuungseinrichtungen ist massiv überlastet. © dglimages, stock.adobe.com
4.7.2023

Neue AK-Studie zeigt dramatische Lage auf: Die Kinderbetreuung in der Steiermark steht vor dem Kollaps

Anhand einer neuen Studie zeigt die Arbeiterkammer alarmierende Fakten zum Zustand der Kinderbetreuung und -bildung in der Steiermark auf. Der neu entwickelte "Kinderzukunftsindex" der Arbeiterkammer misst die Qualität der Betreuung und erfasst die Folgen des Personalmangels in Kinderkrippen und Kindergärten. Tausende Beschäftigte in steirischen Einrichtungen haben sich an der Studie beteiligt.

Die Studie wurde von der Interdisziplinären Gesellschaft für Sozialtechnologie und Forschung (IGSF) durchgeführt und soll ab jetzt jährlich stattfinden, um die Entwicklungen besser verfolgen zu können. Die Ergebnisse basieren auf einer Online-Umfrage unter Pädagoginnen und Pädagogen sowie Betreuungspersonal in steirischen Kinderbildungs- und -betreuungseinrichtungen. Mehr als 2.600 Personen haben sich an der Umfrage beteiligt.

Zu große Gruppen

Hier sind die zentralen Details der Umfrage: 91 Prozent der Befragten geben an, dass die Kindergruppen zu groß sind und 72 Prozent melden, dass die Kinder in den Gruppen deswegen nicht mehr ausreichend betreut werden können. Mehr als die Hälfte des Personals hat die Kinder oft nicht mehr im Blick, was zu vermeidbaren Verletzungen, Streit und Aggressivität unter den Kindern führt. Mehr als jede bzw. jeder dritte Beschäftige gibt sogar an, dass die Kinder oft sogar völlig unbetreut bleiben (müssen). Dies führt zu einer durchschnittlichen Belastung von 51,4 von 70 möglichen Punkten auf dem Kinderzukunftsindex. Damit ist die Steiermark nur noch vier Punkte von der Belastungsgrenze des Systems entfernt.

System vor Zusammenbruch

Sollte die Belastung weiter ansteigen, steht das System der Kinderbildung und Kinderbetreuung vor dem völligen Zusammenbruch. Eine Pädagogin aus der Studie bringt es auf den Punkt: "Wenn ich all diese Fragen mit Ja beantworten würde, dann wäre es fahrlässig, ein Kind noch in die Einrichtung zu geben." Von dieser Situation ist die Steiermark nur noch wenige Schritte entfernt.

Viele wollen gehen

49 Prozent der Befragten denken aufgrund der aktuellen Situation deswegen auch ernsthaft über einen Berufswechsel nach, was den Personalmangel noch wesentlich verschärfen würde. Die Studie zeigt andererseits auch, dass sich ein Drittel der Teilzeitbeschäftigten mehr Arbeitsstunden wünscht. Die Hälfte davon könnte ab morgen mehr arbeiten, zwei Drittel ab dem nächsten Monat.

Appell an die Politik

AK-Präsident Josef Pesserl ist angesichts der Umfrageergebnisse alarmiert: "Wir sehen jetzt die Versäumnisse der Vergangenheit. Die Beschäftigten leiden unter massiven Belastungen, die Versorgung ist nicht mehr gewährleistet, Eltern finden in vielen Bereichen keinen Betreuungsplatz. Die Politik muss erkennen, dass jetzt zu handeln ist. Nicht morgen, jetzt!"
Dies fordert auch Michael Kammerer, Betriebsratsvorsitzender des Kindergartenbetreibers WIKI: "Seit Jahren reden wir über notwendige Verbesserungen für Kinder und Kolleginnen und Kollegen. Es braucht jetzt sofort schnell wirkende Maßnahmen, das System steht vor dem Kollaps." "Die Kolleginnen und Kollegen, die mit Kindern arbeiten, machen das mit vollem Einsatz und Engagement. Damit sie das weiter können, braucht es österreichweit einheitliche bessere Bezahlung und bessere Arbeitsbedingungen", sagt Beatrix Eiletz, Betriebsratsvorsitzende der Volkshilfe. "Kinder sind unsere Zukunft! Daher ist die Politik gefordert, in unsere Zukunft zu investieren, damit sich die Kolleginnen und Kollegen den Job leisten können und dabei nicht ausbrennen." In dieselbe Kerbe schlägt AK-Vizepräsidentin Patrica Berger: "Die Förderung unserer Kinder benötigt die besten Rahmenbedingungen. Politik hat für faire Entlohnung und beste Qualität in der Aus- und Weiterbildung zu sorgen. Dafür braucht es ausreichend finanzielle Mittel, mehr Flexibilität in der Handhabung sowie bundesweit einheitliche Gesetze."

Die wichtigsten Ergebnisse der Umfrage im Überblick

  • 91 Prozent der Befragten geben an, dass die Kindergruppen zu
    groß sind.
  • 72 Prozent melden, dass die Kinder in den Gruppen nicht mehr
    ausreichend betreut werden können.
  • 54 Prozent haben die Kinder oft nicht mehr im Blick.
  • 38 Prozent geben an, dass die Kinder oft völlig unbetreut bleiben 
    (müssen).
  • 86 Prozent sagen, Kinder mit besonderen Bedürfnissen erhalten
    nicht ausreichend Zuwendung.
  • 32 Prozent wünschen sich mehr Arbeitsstunden.
  • 49 Prozent überlegen ernsthaft, den Beruf zu wechseln.


Die gesamte Studie gibt es hier als Download.

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