Spitzenmedizin auf Kosten der Beschäftigten
Die Corona-Pandemie hat Spuren in den Krankenhäusern hinterlassen. Ein Betriebsrat spricht über Unsicherheit, Loyalität und Wünsche für die Zukunft.
Die Hauskrankenpflege und mobile Dienste haben selbst im Lockdown funktioniert und die Hilfsbedürftigen daheim betreut. Eine Betriebsratsvorsitzende berichtet über ängstliche Kundinnen und Kunden, über das Arbeiten bei aufgesetzter Maske und den langsamen Übergang zu mehr Normalität.
Die Mobile Pflege und Betreuung ist zuständig für Hochrisikogruppen, Alte, Menschen mit vielen Vorerkrankungen, Wundklientinnen und -klienten, Dialysepflichtigen und Krebskranken, Immungeschwächte, Diabetikerinnen und Diabetiker und viele andere. Oft sind die Pflege- und Betreuungspersonen die ersten am Tag, die die Klientinnen und Klienten sehen, und vielfach bleiben sie auch die Einzigen. Die Pflege- und Betreuungspersonen bringen Neuigkeiten und sind Seelsorger, sie sind ein bisschen Familienersatz und auch der Blitzableiter für schlechte Laune und Frustration.
Sylvia Gassner ist Betriebsratsvorsitzende beim Roten Kreuz Graz und vertritt als Zentralbetriebsrätin steiermarkweit rund 500 Kolleginnen und Kollegen bei den mobilen Diensten. "Unsere Kundinnen und Kunden waren sehr verunsichert, manche haben aus Furcht vor einer Ansteckung unsere Besuche abgesagt", erinnert sie sich an die Anfänge der Pandemie. Das Anlegen der Maske stieß oft auf Unverständnis, vor allem bei dementen Kundinnen und Kunden.
Es sei sich trotz vieler Ausfälle beim Personal gerade so ausgegangen, das Angebot aufrecht zu erhalten, sagt Gassner. Dazu wurde viele Maßnahmen getroffen. So sei es gelungen, dass Kolleginnen freiwillig die Stundenreduktion bei Altersteilzeit ausgesetzt haben. Beim Personal wurden sehr viele Mehrstunden angehäuft, Engpässe wurden von Beschäftigten anderer Einsatzstellen bezirksübergreifend ausgeglichen. "Es gab eine Welle innerbetrieblicher Solidarität zum Meistern der Herausforderung", sagt die Betriebsratsvorsitzende.
Eine große Belastung war die Isolation der Beschäftigten. Eine der wenigen Möglichkeiten zum Austausch bei den mobilen Diensten waren die wenigen Minuten vor Dienstantritt, doch aus Sicherheitsgründen wurden die Beginnzeiten gestaffelt. "Das Telefon war ein schwacher Ersatz." Als die Temperaturen immer mehr stiegen und es wochenlang heiß war, wurde das Arbeiten mit aufgesetzten Masken zur Qual. Seit 30. Juni müssen die FFP2-Masken nur beim Kontakt mit Klientinnen und Klienten getragen werden. Gassner: "Jetzt wird die Arbeit langsam wieder normaler."
Beim Roten Kreuz gilt ein eigener Kollektivvertrag, der sich in einigen Punkten von jenem der Sozialwirtschaft Österreich unterscheidet. So gibt es die 40-Stunden-Woche, allerdings mit bezahlten Pausen. Jedes Bundesland hat eigene Anhänge. Gassner, die bundesweite Verhandlungsführerin ist, nennt als Ziel für die nächsten KV-Runde im Herbst eine einheitliche Regelung für ganz Österreich.
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